gastbeitrag

Wie werde ich fokussierter?

Manchmal muss man innehalten und einen Schritt zurückgehen, um einen besseren Blick darauf zu haben, was vor einem liegt. Warum und wie du das machen solltest?

Wie werde ich fokussierter?
Nicole Aigner
Angehende Juristin, Optimistin und Weltverbesserin 🌈

Fokuswoche

Ganze fünf Tage ohne Kommunikation zur Außenwelt, ohne: reden, Handy, Fernseher, Spiele, andere Menschen, … Zusammengefasst: ohne Ablenkung. Nur du und deine Gedanken, 24 Stunden am Tag. Klingt verrückt? Was ich als Fokuswoche bezeichne, war aber die vermutlich wichtigste Erfahrung, die ich in diesem Jahr gemacht habe.

Warum?

Wie wir alle wissen, gibt es nicht nur Sonnentage im Leben. Manchmal scheint alles schwierig, wir versinken in Arbeit, geben alles, tun alles, sind diszipliniert, hart gegen uns selbst – und trotzdem läuft’s nicht. Trotzdem können wir uns nicht konzentrieren, schweifen ab und nehmen die scheinbar unausweichlichen Umwege. Jetzt wäre eine typische Antwort: einfach noch mehr arbeiten, noch disziplinierter sein, noch härter. Am Ende schaffst du so dein Ziel sogar – aber zu welchem Preis?

Genau diese Frage habe ich mir kürzlich gestellt. Was kommt danach? Ist der Preis, den ich zahle, das Ergebnis wirklich wert? Warum bin ich auf der Zielgeraden so ausgepowert, dass ich nicht mehr beschleunigen kann? Und wo ist mein Fokus? Wo meine Konzentration? Kommt Konzentration nicht durch Härte? Wie ich schmerzlich erfahren habe – Nein. Fokus kommt durch Frieden.

Aber ich war mir sicher, irgendwo in mir gibt es Fokus, irgendwann war ich ja schon einmal fokussiert. Ich muss ihn nur finden. Durch Schweigen und dadurch, aktiv meinen Gedanken zuzuhören. Denn wer spricht öfter, wer mit mehr Nachdruck zu mir – als ich selbst?

Wie kannst du das umsetzen?

Schritt 1: Zeitfenster schaffen und Leuten sagen, dass du in dem Zeitraum nicht erreichbar bist.

Nein, auch nicht im Notfall (für Notfälle gibt es Notrufnummern). Ja, es gibt auch im verplantesten Kalender 5 Tage, die du dir frei nehmen kannst. Nichts kann so wichtig sein wie dein Fokus, weil du ohne Fokus eh nichts Wichtiges richtig machen kannst.

Schritt 2: Unterkunft finden.

Die optimale Unterkunft ist ruhig, du bist allein, kannst jederzeit in die Natur ohne Bekannte zu treffen. Hier hatte ich Glück: Meine Tante und mein Onkel hatten für mein Zeitfenster ohnehin einen Urlaub geplant und brauchten noch wen, der/die die Katze-füttert – Jackpot.

Schritt 3: Vorbereitungen treffen.

Überlege dir ganz genau, was du für die 5 Tage brauchst an Lebensmitteln, Notizbüchern, Stiften, Kleidung, etc. und bereite all das vor, damit du keinen deiner wertvollen Fokusgedanken an so etwas verschwenden musst. Wenn du ein bestimmtes Buch lesen möchtest, kaufe es rechtzeitig. Wenn du eine bestimmte Frage geklärt haben möchtest, formuliere sie davor. Definiere dein Ziel klar und messbar, damit du danach kontrollieren kannst, ob du es denn auch erreicht hast.

Schritt 4: Tu es!

Zieh es durch, bis zum letzten Tag. Klar, es kann manchmal hart sein deinen Gedanken so ganz ohne Schutz und Zuflucht ausgeliefert zu sein. Da musst du einfach durch. Gleichzeitig können diese fünf Tage die schönsten des Jahres werden, weil du bewusst deine Umwelt, die Natur, selbst deinen eigenen Herzschlag wahrnimmst. Du hast die Chance, Frieden zu finden. Mit dir, mit der Welt – schöneres gibt es nicht.

Schritt 5: Schreiben und Nachbereiten

Schreib am besten schon währenddessen deine Gedanken auf: Fragen, die dich beschäftigen, Antworten, die du gefunden hast. Genau diese Mitschrift brauchst du nämlich für die Nachbereitung. In diesem Schritt fasst du deine wichtigsten Erkenntnisse nach Ende der Fokuswoche noch einmal zusammen und überlegst dir, wie du sie langfristig in dein Leben einbauen kannst. Schließlich sollst du langfristig von deiner wichtigen Gedankenarbeit profitieren können. Wichtig hier: nur Papier bringt Frieden, also schreibe mit einem Stift auf Papier.

(typischer) Tagesablauf?

Als Beispiel für einen typischen Tag während meiner Fokuswoche: aufstehen, Katze füttern, Atemübungen, kurze eiskalte Dusche, kleine Laufrunde, duschen, Frühstück[1], lesen/denken, Fragen stellen, Mittagessen, in der Sonne rasten, lesen/denken, Abendessen, Spaziergang, lesen, dehnen, Meditation, schlafen

Kurzer Auszug an Fragen, die ich mir gestellt habe:[2]

  • Wo stehe ich mir selbst im Weg?
  • Was ist der kleinste Schritt, den ich heute gehen kann, um einer großen Sache näher zu kommen?
  • Welche ist die härteste Entscheidung, die ich meide
  • Wie werde ich mich fühlen, wenn ich bekomme was ich will? Was passiert dann?

Herausforderungen

Eine große Challenge war, wie erwartet, nicht zu reden. Vor allem nicht mit der Katze zu schimpfen. Auch liegt eine große Schwierigkeit darin, die Gedanken klar zu halten und sich nicht in leichten, aber unnützen Gedanken zu verlieren. Manchmal waren auch die Nächte ein bisschen gruselig.

Learnings

„Wer schweigt wird hören, wer aber nicht schweigen kann wird immer taub bleiben“: wortwörtlich hatte ich nach diesen fünf Tagen besseres Gehör, klare Gedanken. Plötzlich fällt denken leicht, ich habe gute Einfälle mit weit weniger Anstrengung. Währenddessen habe ich auch erkannt, was ich eigentlich weiß, aber noch nie in dieser Intensität erfahren habe: Ich denke immer an dasselbe und muss sehr genau aufpassen, was ich in meinen Kopf lasse – vor allem bei Musik.

Am letzten Tag der Fokuswoche war mein Energielevel unglaublich hoch – hier habe ich die Schönheit wahren Friedens, wahrer Zufriedenheit, kennengelernt.

Mein größtes Learning von Tag 6, also dem Tag danach: es ist nichts passiert. Keine Katastrophe, nur weil ich mal nicht da war. Auch kein großer Fortschritt, einfach nichts. Was davor wichtig war, ist immer noch wichtig. Was davor unwichtig war, ist immer noch unwichtig. Meine Anwesenheit ist also gar nicht so unabdingbar, wie ich gerne glaube. Eine sehr beruhigende Erkenntnis.

Abschließende Worte

Was bleibt also von fünf Tagen mit minimalem Input? Eine Nicole, die ihre Gefühle kennengelernt hat, ihre Ängste, aber auch, was sie stark macht. Eine Nicole, die der Vergangenheit (ein bisschen mehr) verziehen hat, die Schönheit der Welt wieder sehen kann, die Frieden gefunden hat.

Damit ich all das lange in meinem Leben genießen kann, ist eine aktuelle Umsetzungsmaßnahme, täglich spazieren zu gehen und nur jeden zweiten Tag mein Handy einzuschalten.

Es braucht nur fünf Schritte zu Fokus und folglich auch mehr Lebensfreude, du hast sie gerade eben gelesen. Deine Ausreden? Interessieren die Welt nicht und sollten auch dich nicht interessieren.

Dein Leben zeigt dir ohnehin, wie ernst du es meinst und was du wirklich umsetzt.

Ich wünsche dir auf dem Weg Stärke, Einsicht und liebevolle Worte. Mögest du Frieden finden.

[1] während der Fokuswoche habe ich mich vegan und sehr kohlenhydratarm ernährt, keinen Kaffee getrunken, keinen Zucker gegessen – ich wollte schließlich nicht nur meinen Kopf aufräumen, sondern auch meinen Körper entgiften.

[2] aus Stillness is the key, Ryan Holiday – große Buchempfehlung für eine Fokuswoche!

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